Was ist der Sinn des Lebens? Um diese gewaltige Frage geht es in Christian Uhles Buch „Wozu das alles?“ Christian Uhle ist – und das ist sehr erfreulich – ein junger Philosoph, einer der gründlich studiert hat, der sich aber auch vor den Sozialen Medien nicht fürchtet und sie auch nutzt. Er hat einen Instagram-Account, eine eigene Webseite und ist Berater der ARTE-Sendung "Street-Philosophy". Uhle steht dafür, dass Philosophie auch etwas für jüngere Menschen ist und nicht nur nach verstaubten Folianten riechen muss.
Aber kommen wir zum Sinn des Lebens. Ich kann mich noch gut an die erste Philosophiestunde in der Schule erinnern. Damals wurden wir alle gefragt, warum wir denn in diesem Kurs sitzen. Meine Antwort: Ich möchte wissen, was der Sinn des Lebens ist. Die Lehrerin damals hat darüber nur gelacht. Ihrer Ansicht nach sei Philosophie der falsche Ort, um solche Fragen zu stellen.
Darüber kann man trefflich streiten. Ich denke, Philosophie ist – neben Theologie – der richtige Ort, um über die Sinnfrage nachzudenken. Man denke nur an den legendären ersten Satz von Albert Camus großartigem Buch „Der Mythos von Sisyphos“ (1950): „Es gibt nur ein wirklich ernstes Problem: den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie.“
Christian Uhle versucht, diese Grundfrage systematisch zu lösen und unternimmt deshalb „Eine philosophische Reise zum Sinn des Lebens“, so der Untertitel seines Buches. In sechs Kapiteln geht er verschiedene Antworttypen auf die Sinnfrage durch. Wichtige Ziele im Leben können sinnstiftend sein, welche Hoffnungen, welche Haltungen? Oder entsteht Sinn im Dialog mit anderen, durch Verbundenheit oder Einheit?
Allein die Tatsache, dass Uhle sechs verschiedene Antworten vorlegt, deutet darauf hin, dass keine davon die Frage nach dem Sinn des Lebens wirklich beantwortet. Es ist ein wenig wie in den platonischen Dialogen. Antworten werden gegeben, geprüft, geschärft und verworfen. Wenn die eine Antwort nicht trägt, versucht man es mit einer anderen. Bei Platon endet das in der Aporie. Keine Antwort wird als tragfähig betrachtet, das Gespräch wird vertagt.
Uhle dagegen will nicht nur Antworten probieren, sein Ziel ist es, eine „Theorie des sinnvollen Lebens“ (S. 333) zu entwickeln. Die Betonung dabei legt er allerdings nicht auf das sinnvolle Leben, sondern auf den Theoriebegriff. Wir können, so Uhle, unser Leben aus vielerlei Gründen als sinnvoll empfinden. Weil wir an Gott glauben, weil wir uns für andere Menschen einsetzen, weil wir unsere Kinder aufwachsen sehen oder weil wir uns z. B. für ein politisches Ziel einsetzen. Den einen Sinn gibt es nicht. Und das liegt, so Uhle, wiederum daran, dass eine Theorie des sinnvollen Lebens weder wahr noch falsch sein kann, weil eine solche zweiwertige Logik auf Theorien nicht anwendbar ist. „Theorien können aussagekräftig, nützlich, schlüssig, plausibel, leistungsstark sein, aber nicht wahr.“ (S. 439)
Damit sind wir dann bei „anything goes“. Den Sinn des Lebens muss jeder für sich selbst bestimmen. Nun muss auch jeder für sich selbst wissen, ob er für diese Antwort fast 500 Seiten lesen möchte. Aber auf der Suche nach der eigenen Antwort auf die Sinnfrage, kann Christian Uhles Buch durchaus hilfreich sein, weil es die einzelnen Antwortoptionen gründlich durchdenkt.
Udo