David Steindl-Rast ist ein weiser und wissender Meister des Gebets. Der hochbetagte und vielen bekannte Benediktinermönch mit einer großen Gemeinschaft an „Schülern“ oder „Followern“ – analog und online - lädt mit seinem Buch „Erwachende Worte. Meditative Gebete“ ein in eine Gebetsschule. Titel, Untertitel und auch die 55 Gebetsüberschriften – sie reichen von „Hören“ über „Bezug“ oder „Wolkengestalten“ bis „Irrtum“ oder „Zauberkraft“ verraten das nicht. Man erwartet durchaus persönliche Gebete, aber keine Mystagogie. Die aber geschieht beim Sich-einlassen auf dieses kleine Buch. Und das macht es zu etwas Besonderem.
Einleitend erzählt David Steindl-Rast von der Genese der Gebetstexte. Sie sind das Ergebnis einer vorösterlichen Fastenzeit. Er hatte von seinem Abt entsprechend der Benediktregel ein Buch für die persönliche Besinnung in dieser Zeit bekommen, das ganz gelesen werden musste. In dem Fall einen Band mit Gedichten von u.a. Rilke, Eichendorff, Brentano, Flex oder Trakl. Jeden Tag hat er sich von einem der Gedichte treffen lassen. Beim Lesen der Gebete hört man zwischen den Zeilen etwas über ihre Genese. Er hat auf die Worte gehört und wenn ein Vers oder auch „nur“ ein Wort ihn innerlich traf und weckte, hat er sich auf diese Bewegung und ihre Wirkung eingelassen. Dem Wort -nach-gedacht, seinen Sinn, seine Mitte auf es gerichtet, es meditiert. Dabei erwachten in ihm eigene Assoziationen, Sinnbezüge, Fragen, Bitten.
Die Themen der Gebete entspringen den Gedichten und führen von Grunderfahrungen wie Staunen, Schweigen, Dasein, Leiden, Tod zu Alltäglichem wie z.B. Frucht, Frauen, Lehrer, Buch oder Geld. Jedes Gebet spiegelt ein Beziehungsgeschehen zwischen Wort, meditierendem Beter und der Hinwendung zum absoluten Geheimnis, zum unsagbaren Gott.
Wer sich auf dieses Buch einlässt, findet aber mehr als das. Steindl-Rast nennt es „mit Worten beten“. Dahinter steht seine Überzeugung, dass ein Wort mehr ist als ein Zeichen für etwas Gemeintes. Worte holen die Dinge, auf die sie verweisen, in die Gegenwart. Es ist ihre „ursprüngliche und bleibende Aufgabe: zu feiern und zu rühmen.“ Das „Mehr“ dieser Gebetssammlung besteht in der Grundhaltung des Beters Steindl-Rast, sich „dem feiernden und rühmenden Beten anzuschließen, das in den Worten selbst liegt.“ (13) Wer so beten lernen will oder betet, für den ist das Buch ein Gewinn.
David Steindl Rast:
Erwachende Worte. Meditative Gebete. Ostfildern: Patmos, 2023
Sabine