Bundeskunsthalle Bonn: Immanuel Kant und die offenen Fragen

 

Der 300. Geburtstag Immanuel Kants am 22. April 2024 ist Anlass dieser sehenswerten Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn. Immerhin ist Kant einer der bedeutendsten Philosophen überhaupt. Seine Gedanken zur Erkenntnistheorie, zu Ethik, Völkerrecht und Aufklärung sind bis heute Wegmarken der Geistesgeschichte. Deren Aktualität wird einem beim Gang durch die Bundeskunsthalle immer wieder geradezu erschreckend klar.

 

Kants Grundsatz der Aufklärung „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ist in Zeiten von Fake News, der Lüge als Mittel der Politik und gezielter Desinformation aktueller denn je. Aufklärung, schreibt Kant, verlangt Freiheit. „Der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muß jederzeit frei sein.“ Davon kann in weiten Teilen der Welt nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Und gerade erleben wir, dass der öffentliche Gebrauch der Vernunft immer mehr und immer repressiver eingeschränkt wird. Seinen berühmten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ hat Kant 1783 geschrieben. Bis heute ist das Programm der Aufklärung und die dazu nötige Freiheit nur in Teilen der Welt halbwegs durchgesetzt worden. Und in diesen Teilen sind Aufklärung und Freiheit teilweise wieder akut gefährdet. Das macht die Ausstellung ebenso aktuell wie erschreckend.

 

 

Ganz abgesehen davon ist die Ausstellung ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Leben und Denken eines Philosophen präsentieren kann. Natürlich muss und kann man viel lesen. Aber der Ansatz der Ausstellung ist multimedial. 3D-Brillen führen einem Königsberg (heute Kaliningrad) zu Zeiten Kants vor Augen. Es gibt Elemente, an denen man selbst aktiv werden kann, Kunstobjekte und vieles mehr. Das Rückgrat der Ausstellung ist die Graphic Novel, die den Besucher im Wortsinne anschaulich durch Kants Leben und Denken führt. Das macht den Besuch in der Bundeskunsthalle zu einem Sinne und Geist anregenden Ereignis.

 

 

Die Ausstellung gliedert sich in drei Ebenen. Da ist zunächst die reine Chronologie: Kants Leben vom 22. April 1724 bis zum 12. Februar 1804 mit Elternhaus, Schule, Studium, beruflichen Stationen, Umzügen etc. wird auf dieser Ebene verfolgt. Darüber legt sich eine Art soziale oder gesellschaftliche Ebene: Kants Lust an Tischgesellschaften, sein Talent zur Freundschaft oder der unvermeidliche Diener Lampe. Diese beiden Ebenen machen deutlich, dass unser Bild von Kant als verschrobenem Sonderling, der ein ereignisloses Professorenleben führte, schlicht falsch ist.

 

 

Ebene drei schließlich ist Kants Denken gewidmet; in deren Zentrum stehen natürlich die drei Kritiken: Die „Kritik der reinen Vernunft“ (1781), die „Kritik der praktischen Vernunft“ (1788) und die „Kritik der Urteilskraft“ (1790).

 

 

Die drei Kritiken stehen für die drei berühmten kantischen Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was soll ich hoffen? Zusammenfassen lassen sich die Fragen zu: Was ist der Mensch? Mit diesen Fragen, das wird in der Bundeskunsthalle deutlich, sind wir noch lange nicht fertig. Sie sind auch 300 Jahre nach Kants Geburt offen.

 

 

Die Ausstellung ist bis zum 17. März 2024 zu sehen. Begleitend gibt es eine Ringvorlesung, Workshops und zahlreiche Führungen. Weitere Informationen dazu auf der Webseite der Bundeskunsthalle.

 

 

 

 

Sabine & Udo

 

Kommentare: 0